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Schluss mit dem Notenwahn – Zeit für eine Revolution in der Bildung! 

 06. Juli 2024

Von  Sabine Gessenich

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Einleitung

Das Schuljahr neigt sich dem Ende zu, und wie jedes Jahr werden in Klassenzimmern und Lehrerzimmern die Köpfe heiß diskutiert: Versetzt oder nicht versetzt? Die Schüler und Schülerinnen sind frustriert, erniedrigt und erschöpft von den ständigen Bewertungen. Man gewinnt den Eindruck, das ganze Jahr über drehe sich alles nur um Noten. Mit dem Notenschluss scheint dann erst einmal Pause zu sein mit Bildung. Doch muss das wirklich so sein?

Auch bei alternativen Schulmodellen wie Montessori ist die Bewertung oft nicht weniger aufwändig. Statt Noten gibt es hier lange Berichte und Bewertungen mit einer Skala, die von „Kann ich gut“ bis „Kann ich noch nicht“ reicht – doch häufig ohne die dazugehörigen Förderpläne. Die Kinder, die solche Bewertungen erhalten haben, und die ich kenne, interessieren sich null dafür. Auch die anderen, die mit klassischer Bewertung konfrontiert sind, sagen jedes Jahr aufs Neue: „Rutsch mir doch den Buckel runter, wir wissen das ja alles.“

Der Teufelskreis der traditionellen Bewertungssysteme

Traditionelle Bewertungssysteme sind oft zeitaufwändig, subjektiv und bieten nur begrenzte Möglichkeiten zur detaillierten Analyse und personalisierten Rückmeldung. Diese Methoden führen häufig zu Ungerechtigkeiten und ungenauer Leistungsbeurteilung, was die individuelle Förderung der Schüler und Schülerinnen erschwert. Noten sind zu einer Art Währung geworden, die wenig über das tatsächliche Können und die Potenziale eines Kindes aussagt.

Aufbruch zu neuen Ufern: Individuelle und detaillierte Rückmeldungen

Schüler und Schülerinnen profitieren immens von detailliertem und individualisiertem Feedback, das ihnen hilft, ihre Lernfortschritte zu verstehen und gezielt zu verbessern. Hier liegt der Schlüssel: Anstatt einem Kind eine Note vor die Nase zu setzen, die ihm sagt, es sei „befriedigend“ oder „ausreichend“, sollte das Feedback konkret und handlungsorientiert sein. „Du hast die mathematischen Konzepte verstanden, aber in der Anwendung hapert es noch. Lass uns daran arbeiten!“ – solch eine Rückmeldung motiviert und zeigt klare Wege zur Verbesserung auf.

Vorteile für Lehrende und Bildungseinrichtungen

Auch Lehrende profitieren von präzisen und objektiven Bewertungen sowie Empfehlungen. Sie erhalten wertvolle Einblicke in die Stärken und Schwächen ihrer Schüler und Schülerinnen, was ihnen die Gestaltung eines effektiven Unterrichts erleichtert. Dies steigert nicht nur die Unterrichtsqualität, sondern auch die Zufriedenheit und das Engagement der Lehrenden. Bildungseinrichtungen, die ihre Bewertungsprozesse modernisieren, tragen so insgesamt zur Verbesserung der Bildungsqualität bei.

Eine Vision für die Zukunft der Bildung

Meine (und sicher nicht nur meine) Vision ist eine Bildung, in der jede Schülerin und jeder Schüler die bestmögliche Förderung erhält und Lehrende optimal unterstützt werden. Eine Bildung, die nicht auf Zahlen basiert, sondern auf individuellen Fortschritten, die Schüler und Schülerinnen motiviert und nicht demotiviert. Es ist an der Zeit, den Notenwahn hinter uns zu lassen und eine Bildungsrevolution einzuleiten, die auf Empathie, Verständnis und gezielter Förderung basiert. Denn nur so können wir sicherstellen, dass Bildung nicht mit dem Notenschluss endet, sondern ein lebenslanger Prozess des Lernens und Wachsens bleibt.

Warum das bestehende System nicht funktioniert und warum wir daran festhalten

Die bestehende Praxis der Notenvergabe stammt aus einer Zeit, als Bildungssysteme standardisiert wurden, um den Bedarf an Arbeitskräften für industrielle Tätigkeiten zu decken. Damals war es wichtig, eine große Anzahl von Schülern und Schülerinnen schnell und effizient zu bewerten und zu sortieren. Dieses Modell war darauf ausgelegt, Disziplin und einheitliche Fähigkeiten zu vermitteln, die für die damalige Arbeitswelt notwendig waren.

Heutzutage jedoch sind die Anforderungen an die Bildung völlig anders. Kreativität, kritisches Denken und die Fähigkeit zur Zusammenarbeit sind weitaus wichtiger als das bloße Auswendiglernen von Fakten. Dennoch hält das System an den traditionellen Bewertungsmethoden fest. Dies liegt unter anderem daran, dass diese Methoden tief in den Strukturen unserer Bildungssysteme verankert sind. Noten bieten eine scheinbar einfache und objektive Möglichkeit, den Lernerfolg zu messen und zu kommunizieren, sowohl an die Schüler und Schülerinnen selbst als auch an Eltern, Hochschulen und Arbeitgeber.

Ein weiteres Problem ist die Trägheit des Systems. Veränderungen in der Bildungspolitik und -praxis sind oft schwerfällig und stoßen auf Widerstände. Lehrende und Administratoren sind an das bestehende System gewöhnt, und es fehlt oft an Ressourcen und Unterstützung für umfassende Reformen. Zudem besteht die Befürchtung, dass alternative Bewertungsmethoden nicht die gleiche Akzeptanz oder Glaubwürdigkeit besitzen könnten wie das traditionelle Notensystem.

Die Schwäche der Politik

Meine Erfahrungen in politischen Kreisen haben mich oft enttäuscht. Selten habe ich etwas Zäheres gesehen als diese Arbeitskreise. Ich glaube nicht, dass dies parteibezogen ist, sondern eher ein strukturelles Problem darstellt. Die Politik scheint zu schwach zu sein, um wirklich tiefgreifende Veränderungen zu bewirken. Die Gründe hierfür sind vielfältig:

  1. Bürokratische Trägheit: Die Strukturen in der Politik sind oft so verkrustet, dass es Jahre dauert, bis eine Veränderung umgesetzt wird. Das zähe Ringen um jede kleine Reform macht es schwer, schnell und effektiv zu handeln.

  2. Mangel an Mut: Viele Politiker scheuen davor zurück, radikale Veränderungen zu fordern, da sie fürchten, Wähler zu verlieren oder auf Widerstand zu stoßen. Dies führt zu halbherzigen Kompromissen, die selten den gewünschten Effekt haben.

  3. Einfluss von Interessengruppen: Verschiedene Interessengruppen, darunter auch traditionelle Bildungseinrichtungen und Lehrerverbände, haben oft ein starkes Interesse daran, den Status quo zu erhalten. Diese Gruppen üben erheblichen Druck auf die Politik aus, was tiefgreifende Reformen weiter erschwert.

  4. Kurzfristige Denkmuster: Politiker denken oft in Wahlzyklen und nicht in langfristigen Perspektiven. Nachhaltige Reformen im Bildungswesen, die möglicherweise erst nach mehreren Jahren ihre Früchte tragen, werden daher häufig zugunsten kurzfristiger Erfolge vernachlässigt.

Der Weg nach vorn

Um diese tief verwurzelten Strukturen zu verändern, bedarf es einer gemeinsamen Anstrengung aller Beteiligten: Bildungspolitiker, Lehrende, Eltern und nicht zuletzt die Schüler und Schülerinnen selbst. Es erfordert Mut, neue Wege zu beschreiten und innovative Ansätze zu testen. Pilotprojekte und Studien können helfen, die Wirksamkeit und Akzeptanz alternativer Bewertungsmethoden zu belegen und den Weg für eine umfassende Bildungsreform zu ebnen.

Es ist an der Zeit, das veraltete System der Notenvergabe zu überdenken und neue, zeitgemäße Methoden zu entwickeln, die den Bedürfnissen der modernen Gesellschaft gerecht werden und die Schüler und Schülerinnen in den Mittelpunkt stellen. Nur so können wir eine zukunftsfähige und gerechte Bildung sicherstellen, die jedem Kind die bestmögliche Entwicklungschance bietet.

Abschließende Gedanken

In diesem Sinne wünsche ich allen schöne und erholsame Ferien! Möge die wohlverdiente Pause genutzt werden, um neue Kraft zu schöpfen und vielleicht auch über neue Ansätze und Ideen in der Bildung nachzudenken. Gute Ideen und Vorschläge zu diesem wichtigen Thema diskutiere ich gerne und freue mich auf einen konstruktiven Austausch.

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