Hallo! Ich bin ein Gehirn – das Gehirn eines Schülers, der wie viele andere den Weg durch die Schulzeit meistert. Ja, richtig gelesen, ich spreche. Ich erzähle euch heute, was in mir vorgeht – wie ich in der Schulzeit arbeite, wann ich erlahme und wie ich befeuert werden kann. Und glaubt mir: Es ist kein leichter Weg! Lasst mich euch zeigen, wie ich funktioniere, wie die Psyche auf mich wirkt und warum das, was man oft „Bulimielernen“ nennt, ein echter Albtraum für mich ist.
Ich bin etwa 1,3 Kilogramm schwer, mit Milliarden von Neuronen, die durch Synapsen miteinander kommunizieren. Ich arbeite Tag und Nacht, speichere Erinnerungen, verarbeite Gefühle und lerne jeden Tag etwas Neues. Aber je nachdem, wie ich behandelt werde, lerne ich mal besser, mal schlechter. Und das hat oft mehr mit den Bedingungen zu tun, unter denen ich arbeite, als mit mir selbst.
Hier beginnt meine Reise … von der Einschulung bis ins Erwachsenenalter.
Einschulung – Ein neugieriges Gehirn
Mit sechs Jahren bin ich wie ein Schwamm. Meine Neuronen sprühen vor Energie und verknüpfen sich unglaublich schnell. Jede neue Information wird begeistert in mein Netzwerk aufgenommen, vor allem, wenn sie spielerisch erlebt wird.
Wenn mein Besitzer Fragen stellt oder Neues ausprobiert, wird mein Belohnungssystem aktiviert. Dopamin, ein Neurotransmitter, flutet mich und macht mich noch neugieriger. Das ist meine Lieblingsphase! Aber wisst ihr, was mich noch stärker macht? Lernen in Beziehungen! Wenn mein Besitzer von einer warmherzigen Lehrkraft oder in einer Gruppe Gleichaltriger unterstützt wird, blühe ich auf. Vertrauen und emotionale Sicherheit fördern meine Plastizität, also die Fähigkeit, neue Verbindungen zu schaffen.
Aber sobald Fehler als etwas Schlechtes markiert werden, beginnt die Bremse. Wenn Stress aufkommt, zum Beispiel durch zu hohe Anforderungen, wird Cortisol freigesetzt, das meinen Hippocampus belastet. Der Hippocampus ist der Bereich, der Informationen speichert und verknüpft – genau das, was ich jetzt so dringend brauche.
Grundschule – Stress statt Neugier
In der Grundschule nimmt der Druck zu. Plötzlich gibt es Tests, Noten und Vergleiche mit anderen. Was passiert mit mir? Mein präfrontaler Cortex – der Bereich, der Konzentration, Impulskontrolle und Planung steuert – arbeitet auf Hochtouren. Doch wenn die Aufgaben zu monoton sind oder die Anforderungen zu hoch, gerate ich schnell ins Ungleichgewicht.
Ein ständiger Stresspegel blockiert meine Fähigkeit, neue Informationen zu speichern. Meine Synapsen, die die Verbindungen zwischen den Neuronen herstellen, arbeiten ineffizienter, wenn Cortisol dauerhaft hoch ist. Noch schlimmer: Ich verliere die Lust, Neues zu lernen, weil mein Belohnungssystem nicht mehr aktiviert wird.
In dieser Phase könnten positive Beziehungen den Unterschied machen. Wenn mein Besitzer sich in einer unterstützenden Gemeinschaft bewegt, wo gegenseitige Wertschätzung herrscht, finde ich wieder Stabilität. Ein guter Lehrer oder ein empathischer Klassenkamerad kann mir helfen, Stress abzubauen und mein volles Potenzial zu entfalten. Beziehungen sind wie Leitplanken, die mich vor dem Abrutschen bewahren.
Kinder, die sich schwer auf eine Sache konzentrieren können, haben oft ein Ungleichgewicht im Dopaminsystem. Medikamente wie Ritalin helfen mir manchmal, fokussierter zu arbeiten, aber sie können nicht die Bedingungen ändern, unter denen ich arbeite. Kleine Pausen, Bewegung und spielerische Aufgaben könnten Wunder wirken, doch die fehlen oft.
Der Teufelskreis aus Arbeitsgedächtnis, Denkblockade und Stress
Mein Arbeitsgedächtnis ist wie ein Notizblock. Hier speichere ich kurzfristig Informationen, um sie zu verarbeiten und in mein Langzeitgedächtnis zu übertragen. Aber wenn ich unter Stress stehe, ist mein Notizblock schnell voll. Cortisol blockiert meine Synapsen und verhindert, dass ich effizient arbeite. Das Ergebnis: Denkblockaden.
Diese Denkblockaden sind nicht nur frustrierend, sie verstärken den Stress. Wenn mein Besitzer denkt: „Ich kann das nicht“, wird mein Stresspegel noch höher, und ich gerate in einen Teufelskreis. Die Folge: Ich schalte auf Autopilot und lerne nur noch oberflächlich. Nachhaltige Verknüpfungen? Fehlanzeige.
Wie ein Wissensnetz entsteht
Wusstet ihr, dass ich unterschiedliche Wahrnehmungskanäle nutze, um Informationen zu verarbeiten? Das bedeutet: Je nachdem, ob ich sehe, höre, fühle oder sogar rieche, aktiviere ich verschiedene Bereiche. Wenn mein Besitzer zum Beispiel etwas liest, aktiviere ich den visuellen Kanal. Wenn er es laut vorliest, kommt der auditive Kanal hinzu. Diese Mehrkanal-Verarbeitung hilft mir, Informationen besser zu speichern und zu vernetzen.
Wisst ihr, was mich richtig begeistert? Wenn ich neue Informationen mit bereits bekannten verknüpfen kann! Das nennt man assoziatives Lernen. Nehmen wir an, mein Besitzer lernt das Wort "Baum". Sofort aktiviere ich alles, was dazu passt: Bilder von Bäumen, das Geräusch von Blättern im Wind oder Erinnerungen an einen Parkspaziergang. So entsteht ein Netz aus Verbindungen, das Wissen nachhaltig speichert.
Aber dieses Netz braucht Pflege. Wenn mein Besitzer nur auswendig lernt, ohne zu verstehen, bleiben die Verbindungen schwach. Wiederholungen, sinnvolle Verknüpfungen und Neugier sind entscheidend für mein Netzwerk. Stress hingegen wirkt wie eine Schere: Er kappt meine Fähigkeit, diese Verbindungen zu schaffen, und behindert mein Wachstum.
Lebenslanges Lernen, Intelligenz und Lernbehinderung
Vielen Menschen ist es nicht bewusst, dass ich mich bis zum Alter von etwa 25 Jahren weiter aufbaue. In dieser Zeit reift mein präfrontaler Cortex – der Bereich, der für Planung, Entscheidungsfindung und Impulskontrolle zuständig ist. Das bedeutet, dass mein Besitzer bis dahin viel Potenzial hat, neue Fähigkeiten zu entwickeln und Wissen nachhaltig zu speichern.
Doch auch danach bleibe ich formbar! Das nennt man Neuroplastizität. Ich kann mein Leben lang neue Verbindungen knüpfen und sogar alte ersetzen, wenn ich gefordert und gefördert werde. Hier spielt die Schule eine wichtige Rolle: Sie sollte mir die Werkzeuge geben, die ich brauche, um neugierig zu bleiben und selbstständig zu lernen. Solche Ziele geben mir Orientierung und sorgen dafür, dass ich motiviert bleibe. Lebenslanges Lernen ist keine Last, sondern ein Abenteuer – wenn ich die richtigen Bedingungen habe.
Wie Lehrende das Gehirn optimal anregen können
Liebe Lehrkräfte, ihr habt die Macht, mich gezielt zu fördern und zu stärken! Hier sind einige Möglichkeiten, wie ihr das tun könnt:
- Emotionale Sicherheit schaffen: Eine wertschätzende, sichere Umgebung hilft mir, ohne Stress zu lernen. Eure positive Haltung reduziert die Ausschüttung von Cortisol und fördert meine Plastizität.
- Vielseitige Lernmethoden einsetzen: Nutzt visuelle, auditive und kinästhetische Ansätze, um mich umfassend anzusprechen und verschiedene Gehirnbereiche zu aktivieren.
- Neugier wecken: Spannende Fragen und echte Probleme, die gelöst werden müssen, motivieren mich mehr als stures Auswendiglernen.
- Beziehungen aufbauen: Eine gute Verbindung zwischen euch und meinem Besitzer stärkt mein Belohnungssystem und meine Bereitschaft, mich anzustrengen.
- Ziele und Visionen fördern: Helft meinem Besitzer, sich ein klares Zielbild vorzustellen. Wenn ich weiß, warum ich lerne, halte ich mich selbst in Bestform.
- Regelmäßige Pausen und Bewegung einplanen: Sie helfen mir, Energie zu tanken und langfristig leistungsfähig zu bleiben.
Wie wäre es mit einem Schulalltag, der so aussieht?
- Mehr projektbasiertes Lernen: Themen werden nicht für Tests gepaukt, sondern durch Projekte verstanden.
- Förderung sozialer Kompetenzen und Beziehungen: Gemeinsames Lernen statt Konkurrenz.
- Ganztagsschulen mit Struktur: Zeit für Lernen, aber auch für Pausen, Bewegung und kreative Aktivitäten.
- Weniger Noten, mehr Feedback: Individuelles Feedback hilft mir viel mehr als eine Zahl auf einem Papier.
Lernmethoden wie diese können mir helfen, langfristig glücklich und erfolgreich zu sein. Und nicht vergessen: Ein gesundes Gehirn braucht auch eine gesunde Psyche!
Weiterführende Links
- Gerald Hüther: Potenzialentfaltung im Bildungssystem Webseite: https://www.gerald-huether.de
- Projektbasiertes Lernen erklärt Webseite: https://www.projektlernen.de
- Die Bedeutung der Plastizität im Gehirn Webseite: https://www.gehirnforschung.de/plastizitaet
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