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Eltern vertröstet, Kinder vergessen: Die bittere Bilanz der Methode „Schreiben nach Gehör“ 

 26‑Dez.‑2024

Von  Sabine Gessenich

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Warum kann bei uns eigentlich jeder machen, was er will? Die Methode "Schreiben nach Gehör" ist in der Bildungslandschaft immer wieder Gegenstand intensiver Diskussionen. Befürworter argumentieren, dass sie die Kreativität und Schreibfreude fördere, während Kritiker die gravierenden Defizite in der Rechtschreibung anprangern. Das Beispiel eines Drittklässlers bietet eine klare Grundlage, um die Risiken dieser Methode zu beleuchten. Alle Jahre wieder werden Drittklässler kurz vor den Halbjahreszeugnissen in Lerntherapien geschickt – ein alarmierendes Muster, das die systemischen Schwächen dieser Methode unterstreicht.

Analyse der Ergebnisse

Ein Leistungsprofil eines Schülers zeigt alarmierende Ergebnisse:

  • Fehleranzahl: Von 45 Wörtern wurden lediglich 4 korrekt geschrieben. Dies entspricht einem Anteil korrekt geschriebener Wörter von nur 8,89 %.
  • Häufigste Fehlerkategorien:
    • Akustische Differenzierung: 17 Fehler, die zeigen, dass der Schüler Schwierigkeiten hat, ähnliche Laute zu unterscheiden.
    • Konsonantenverdopplung: 11 Fehler, was auf ein unzureichendes Regelwissen hindeutet.
    • Groß-Kleinschreibung: 17 Fehler, die grundlegende orthographische Standards betreffen.

Typische Fehler und ihre Ursachen

Die Analyse offenbart systematische Schwächen:

Richtig: (4)Katze, bedankt, Schlauch, Tapferkeit

Falsch: (41) Fro (froh), Schul Schtunten (Schulstunden), Pandat (wandert), Fremdes (fremdes), befegt (bewegt), Schaten(Schatten), schfafzes (schwarzes), traugig (traurig), Mer (mehr), Fozichtig (vorsichtig), surug (zurück), Einfar(einfach), Seit (Zeit), Schelt (schellt), Loieft (läuft), Haufpasen (aufpassen), Rent (rennt), Haser (außer), eke (Ecke),schlept (schleppt), sitzz (sitzt), schiet (schiebt), lauite (Leute), fil (viel), peser (besser), kepntzi (kämpft), beisen(beißen), Part (Bart), Hsten (Ästen), Ankst (Angst), nimt (nimmt), Tret spchu (dreht), Kfalm (Qualm), Katofelsupe(Kartoffelsuppe), Zame (zahme), Kfer (quer), Schpritze (Spritze), Roa (Rohr), Brant (Brand), froien (freuen), Retun (Rettung)

  1. Phonetische Schreibweise:Fehler wie "Schul Schtunten" (Schulstunden) oder "Fozichtig" (vorsichtig) zeigen, dass der Schüler sich ausschließlich auf die Lautwahrnehmung verlässt, ohne orthographische Regeln zu beachten.
  2. Regelbasierte Defizite:
    • Konsonantenverdopplung: Fehler wie "Schaten" (Schatten) und "nimt" (nimmt) belegen fehlendes Wissen über die Regel der Silbenlänge.
    • Dehnung: "Fro" (froh) und "Mer" (mehr) zeigen Unsicherheiten bei der Kennzeichnung von langen Vokalen.
  3. Speicherung von Mehrfachbuchstaben:Beispiele wie "kepntzi" (kämpft) und "Katofelsupe" (Kartoffelsuppe) zeigen Schwierigkeiten bei der Speicherung komplexer Graphemverbindungen.

Kontext der individuellen Situation

In diesem speziellen Fall wurde dem Schüler die Diagnose einer drohenden seelischen Behinderung gestellt. Bereits in der ersten Klasse fiel auf, dass er Schwierigkeiten hatte, sich Buchstaben zu merken. Dennoch wurde die Familie von den Lehrkräften vertröstet mit der Aussage, dies würde sich auswachsen. Nun, in der dritten Klasse, als erstmals Noten vergeben werden, offenbaren sich die massiven Defizite. Den Eltern wurde der Besuch eines kinderneurologischen Zentrums empfohlen. Die systematischen Versäumnisse der vergangenen Jahre führen dazu, dass der Rückstand in der Rechtschreibung nur schwer aufzuholen ist.

Kritik an der Methode "Schreiben nach Gehör"

Die Methode "Schreiben nach Gehör" birgt erhebliche Risiken für die Rechtschreibentwicklung:

  1. Vernachlässigung von Rechtschreibregeln:Kinder, die ausschließlich nach Gehör schreiben, entwickeln oft keine systematische Regelkompetenz. Dies zeigt sich deutlich an den Ergebnissen dieses Schülers.
  2. Überforderung der Lautwahrnehmung:Viele Fehler (z. B. "Haser" statt "außer") entstehen, weil die Methode von einer fehlerfreien Lautanalyse ausgeht – eine Fähigkeit, die Kinder in diesem Alter oft noch nicht besitzen.
  3. Mangelnde Korrektur:Wenn die Fehler nicht systematisch korrigiert werden, verfestigen sich falsche Schreibweisen. Der Schüler zeigt viele typische Fehler, die durch mangelnde Rückmeldung entstanden sein könnten.
  4. Langfristige Folgen:Das Problem endet nicht in der dritten Klasse. In der vierten und fünften Klasse verschärfen sich die Schwierigkeiten oft dramatisch. Das Textverständnis hinkt hinterher, die Freude am Fach Deutsch schwindet und hinterlässt nicht selten einen allgemeinen Bildungsfrust. Hier setzt sich eine Entwicklung fort, die bereits in der Grundschule hätte verhindert werden können.
  5. Systemische Uneinheitlichkeit:Besonders problematisch ist, dass Schulen in Deutschland ihre Methodik individuell wählen können. Dies führt dazu, dass Eltern und Kinder von der Qualität des jeweiligen Konzepts abhängig sind. Persönliche Beobachtungen und Statistiken zeigen, dass "Schreiben nach Gehör" in vielen Fällen nicht funktioniert und viele Kinder gerade aus bestimmten Schulen deutliche Defizite in der Rechtschreibung aufweisen.

Handlungsempfehlungen

Auf Grundlage der Analyse sind folgende Schritte notwendig:

  1. Intensive individuelle Förderung:
    • Fokus auf die grundlegenden Bereiche wie Lautunterscheidung und Wortdurchgliederung.
    • Einführung systematischer Übungen zu Rechtschreibregeln.
  2. Ablösung der Methode:
    • Die Methode "Schreiben nach Gehör" sollte durch Ansätze ersetzt werden, die systematisch Regeln vermitteln.
    • Alternativen wie die Arbeit mit Silbenstruktur und gezielte Diktate könnten die Rechtschreibentwicklung fördern.
  3. Berücksichtigung psycho-emotionaler Faktoren:Ein beschädigtes Selbstwertgefühl durch wiederholtes Versagen in der Rechtschreibung muss durch Erfolgserlebnisse in der Förderung kompensiert werden.
  4. Standardisierung und Kontrolle:Es bedarf einheitlicher Vorgaben zur Vermittlung der Rechtschreibung. Bildungspolitische Maßnahmen sollten sicherstellen, dass erfolgreiche Methoden flächendeckend angewandt werden und fehleranfällige Ansätze wie "Schreiben nach Gehör" aus den Schulen verschwinden.

Fazit

Das Beispiel zeigt eindrücklich die Schwächen der Methode "Schreiben nach Gehör". Eine solch fehleranfällige Herangehensweise an die Rechtschreibung darf nicht die Grundlage des Schriftspracherwerbs sein. Einheitliche, strukturierte, regelbasierte Ansätze sind dringend notwendig, um Kindern unabhängig von ihrer Schule die gleichen Chancen zu bieten. Alle Jahre wieder zeigt sich kurz vor den Halbjahreszeugnissen, wie dramatisch sich diese Methode auf die Bildung auswirkt. Es ist Zeit, diesem Missstand ein Ende zu setzen, bevor weitere Kinder den Anschluss verlieren.

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