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Schreiben als Resonanzraum – wenn Kinder sich selbst ausdrücken 

 14. September 2025

Von  Sabine Gessenich

Schreiben das stark macht - Entwicklung, Identität und Resonanz erleben

Handschrift als Spiegel

Schreiben ist mehr als die Aneinanderreihung von Buchstaben. Für mich ist Schreiben ein Spiegel: Es zeigt, wie ein Kind sich selbst wahrnimmt, wie es denkt, fühlt und verstanden werden möchte. Die Handschrift ist dabei die sichtbar gewordene Spur seiner Entwicklung, ein Resonanzraum, in dem innere Bewegungen, Zweifel und Erfolge nachvollziehbar werden.

Ich erinnere mich an Paul, der mich einmal fragte: „Kann ich heute meine Geschichte schreiben, wie ich will?“ Er schrieb nicht linear und fehlerfrei, sondern voller Fantasie – mit Schlenkern, Umwegen und manchmal Sprüngen in seinen Gedanken. In diesen Texten lebte Pauls innere Welt, seine Sehnsüchte und Erfahrungen. Fehler oder ungewohnte Formulierungen waren keine Mängel, sondern Ausdruck seiner Persönlichkeit. Erst im Dialog – im Lesen, Vorlesen, Staunen und Nachfragen – entwickelte er Freude und Sicherheit im Schreiben.

Schreiben als Persönlichkeitsentwicklung

Viele Kinder erleben zum ersten Mal Wirksamkeit, wenn ein Erwachsener ihre Texte nicht nur auf Fehler prüft, sondern ehrlich interessiert ist: „Wie bist du darauf gekommen?“, „Was willst du mit diesem Satz sagen?“ Schreiben wird zum Begegnungsraum. Wo diese Resonanz entsteht, wachsen Vertrauen und die Lust, etwas zu wagen. Besonders Lernende, denen das Schreiben schwerfällt, ziehen viel Kraft daraus, wenn jemand sie im Prozess – nicht nur beim Resultat – sieht.

Manche Eltern berichten mir: „Mein Sohn möchte gar nicht schreiben. Er blockiert sofort.“ Doch wenn Kinder erfahren, dass ihre Handschrift mehr ist als eine Bewertungseinheit – dass sie ihre Gedanken sichtbar macht, Gefühle transportiert, Geschichten wachsen lässt – entsteht langsam Zutrauen. Der Junge, der anfangs schweigend das Heft zuklappte, brachte nach einigen Wochen kleine Comics, eine Liste mit Lieblingswörtern, sogar Briefe an die Familie mit. Sein Schriftbild blieb „unordentlich“, aber auf den zweiten Blick wurde daraus eine eigene, wiedererkennbare Handschrift – seine Handschrift.

Über das Schreiben in Beziehung treten

Auch für mich als Lernberaterin ist jede Handschrift einzigartig: Sie verrät Tempo, Kraft, Rhythmus, manchmal sogar Stimmung. Es sind die kleinen Anmerkungen am Rand, das langsame, fantasievolle Übermalen von Buchstaben, das Kritzeln während einer Pause, die zeigen, wie stark Schrift auch eine biografische Dimension hat. Schreiben ist immer auch zeigen – sich mitteilen, Spuren hinterlassen, Verbundenheit spüren.

Wer Schreiben als Resonanzraum versteht, schafft Raum für Scheitern und Neubeginn, für ungewöhnliche Wege und individuelle Ausdrucksformen. Das größte Geschenk ist es, wenn ein Kind spürt: „Meine Handschrift, mein Text – das bin wirklich ich.“ Dann wird aus Schreibförderung Persönlichkeitsförderung, und der Schritt in die Schrift ist zugleich ein Schritt zu sich selbst.

Denn jedes Kind verdient es, im Schreiben nicht nur richtig, sondern echt zu sein. Der wahre Schatz liegt oft zwischen den Zeilen – im Mut, sich auszudrücken, und im Vertrauen, sich zeigen zu dürfen.

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Literatur und weiterführende Quellen

Brügelmann, Hans: Empirische Studien zum Schreiben mit der Hand.
https://grundschulverband.de/wp-content/uploads/2019/09/T192_GSV_2016_Bruegelmann_Empirische_Studien_zum_Schreiben_mit_der_Hand.pdf

Brügelmann, Hans; Brinkmann, Eva: Wie wir recht schreiben lernen. 10 Jahre Kinder auf dem Weg zur Schrift.
https://www.pedocs.de/volltexte/2019/16858/pdf/Bruegelmann_Richter_1994_Wie_wir_recht_schreiben_lernen.pdf

Mercator-Institut: Lesen und Schreiben lernen in der Grundschule.
https://mercator-institut.uni-koeln.de/sites/mercator/user_upload/PDF/05_Publikationen_und_Material/Faktencheck_Lesen_und_Schreiben_in_der_Grundschule.pdf

POTENTIALO®-Blog: Schreiben heißt sich zeigen – Warum Kinder mehr brauchen als Regeln und Korrektur.
https://potentialo.de/kinder-schreiben-lernen/

POTENTIALO®-Blog: Schreiben lernen: Was ein Kind alles leisten muss.
https://potentialo.de/schreiben-lernen/

POTENTIALO®-Blog: Warum Lesen, Schreiben und Rechnen für die kognitive Entwicklung unverzichtbar sind.
https://potentialo.de/warum-lesen-schreiben-und-rechnen-fuer-die-kognitive-entwicklung-unverzichtbar-sind/




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Dieser Text ist ein Auszug aus meinem Buch und der POTENTIALO®-Weiterbildung: „Schreiben, das stark macht“.

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