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Klassische Wege zum Schriftspracherwerb – Begegnung, Vertrauen, Vielfalt 

 14. September 2025

Von  Sabine Gessenich

Schreiben das stark macht. Entwicklung, Identität und Resonanz erleben

Die ersten Begegnungen mit Schrift

Für mich beginnt der Schriftspracherwerb immer mit der Begegnung: mit dem einzelnen Kind und seinen ersten Versuchen, Buchstaben, Laute und Wörter zu entschlüsseln. Trotz aller Theorien, Stufenmodelle und Methoden ist dieser Weg für jeden Lernenden einzigartig. Während die Forschung von Entwicklungsstufen spricht – von der spielerischen Vorstufe bis zur automatisierten Rechtschreibphase –, sehe ich in der Praxis vor allem eine Vielfalt von Wegen, von kleinen Umwegen und überraschenden Fortschritten.

So wie bei Emma: Sie formte als Vorschülerin begeistert Fantasiebuchstaben. Erst viel später zeigte sich, dass ihre Schwierigkeiten beim Erkennen von echten Buchstaben auch an einer nicht erkannten Sehschwäche lagen – erst durch eine neue Brille und gezielte Übungen fand Emma Zugang zur Schrift, und auf einmal wollte sie jeden Zettel im Haus beschriften. Dieses Erlebnis bestätigt, wie wichtig es ist, individuelle Entwicklungsverläufe zu sehen – und nicht zu früh mit Standards zu vergleichen.

Unterschiedliche Methoden: Fibel und freie Schreibversuche

In der Schule begegnen mir immer verschiedene Methoden: Die klassische Fibel strukturierte viele Jahre Reihenfolge und Übungen. zum Schriftspracherwerb. Manche Kinder – wie Tom – lieben das systematische Vorgehen: Buchstaben, die in immer neuen Wörtern auftauchen, Übungen, die langsam Sicherheit geben. Andere wollen sofort eigene Geschichten vertexten; sie blättern in Anlauttabellen, probieren sich aus. Oft zeige ich Eltern diese Methodenvielfalt und lade sie ein, gemeinsam mit ihrem Kind herauszufinden, was sich „richtig“ anfühlt. Manchmal ergibt sich aus einer Mischung die größte Wirkung: Toms Freude wuchs enorm, als er freie Schreibversuche mit der Sicherheit kombinieren durfte, dass die Lehrerin trotzdem mit der Fibel weiterarbeitete.

Wichtig ist immer: Der Weg von der ersten Fantasie-Schrift über die logographische und alphabetische Phase bis hin zur sicheren Rechtschreibung braucht Zeit, viele Impulse und regelmäßige Begegnungen mit Sprache. Dabei ermutige ich Eltern und Lehrende, Reime, Silbenklatschen oder kleine Lautspiele in den Alltag einzubauen. Besonders schön ist es, wenn ein Kind stolz erzählt: „Ich kann Haus und Maus reimen!“ Oder wenn Lina plötzlich merkt, dass sie Silben selbst abzählen kann („Ti-ger, zwei Klatscher!“). Gerade das spielerische Erkunden der Sprachlaute ist für viele Kinder – auch später in der Schule – das eigentliche Fundament ihrer Schreibentwicklung.

Die Rolle der Feinmotorik

Natürlich spielt auch die Feinmotorik beim Schreiftspracherwerb eine große Rolle. Viele Eltern sorgen sich, wenn ihr Kind den Stift „anders“ hält oder Buchstaben verstürzt. Auch hier helfen kleine Schritte und viel Geduld. Es sind oft die wiederholten, ruhigen Übungen zu Hause, bei denen aus der unbeholfenen Schreibbewegung ein sicherer, eigener Stil wächst. Ich erinnere mich an einen Jungen, der immer sagte: „Ich krieg’s eh nicht hin!“ – nach einem halben Jahr ließ sich beobachten, wie die Hand lockerer wurde und er seitenweise Geschichten zu Papier brachte.

Was in all diesen Beispielen durchscheint: Der klassische Weg zur Schriftsprache ist so facettenreich wie die Kinder selbst. Die Modelle und Methoden geben Orientierung, aber erst die Verbindung mit persönlicher Zuwendung, mit dem Ernstnehmen von Besonderheiten und mit Raum für kleine Erfolge machen aus dem Schreibenlernen eine echte Entdeckungsreise.

Vielfalt als Grundlage der Schreibentwicklung

Begegnung. Vertrauen. Vielfalt. Das ist für mich die klassische Basis. Und jeder Lernende – egal, wie individuell der Weg verläuft – trägt sein ganz persönliches „Alphabet“ schon längst in sich.

Wenn Sie beim Lesen an bestimmte Kinder oder eigene Kindheitsszenen denken, geht mein Wunsch für dieses Buch in Erfüllung: Klassisches Wissen verbindet sich dann mit dem ganz eigenen, persönlichen Weg zur Schrift.

Jeder Weg zur Schrift ist individuell.
Begegnung, Vertrauen und Vielfalt sind die Grundlagen, auf denen Kinder wachsen – und Schreiben zu einem echten Entdeckungsprozess wird.

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Quellen

Brügelmann, Hans:Stufenmodelle des Schriftspracherwerbs. Universität Siegen, 2022.
https://www2.phil.uni-siegen.de/germanistik/faigel/vertiefung3.pdf

Scheerer-Neumann, Gertraud:Das Stufenmodell der Rechtschreibentwicklung nach Scheerer-Neumann (2008).
https://www.stauferschule.de/fileadmin/Benutzerordner/Kaehler/Elternschule_-_Rechtschreibung/Das_Stufenmodell_der_Rechtschreibentwicklung_nach_Scheerer_Neumann_2008.pdf

Dehn, Monika: Zeit für die Schrift. Wie Kinder lesen und schreiben lernen. Beltz, 2010.
(Titelhinweis, spezifisches pdf nicht frei verfügbar)

Brügelmann, Hans; Brinkmann, Eva: Wie wir recht schreiben lernen. 10 Jahre Kinder auf dem Weg zur Schrift.
https://www.pedocs.de/volltexte/2019/16858/pdf/Bruegelmann_Richter_1994_Wie_wir_recht_schreiben_lernen.pdf

Wikipedia: Schriftspracherwerb – Übersicht aktueller Modelle.
https://de.wikipedia.org/wiki/Schriftspracherwerb

Bewährte Methoden: Von der Fibel zur Anlauttabelle

Friedrich Verlag: Schreiben lernen: Lesen durch Schreiben vs. Fibel.
https://www.friedrich-verlag.de/bildung-plus/grundschule/deutsch/schreiben/wie-kinder-am-besten-schreiben-lernen-ein-glaubensstreit/

Wikipedia: Ganzwortmethode.
https://de.wikipedia.org/wiki/Ganzwortmethode

Mildenberger Verlag: Silbenmethode Handbuch.
https://www.mildenberger-verlag.de/fileadmin/downloads/prospekte/1756_Internet.pdf

ABC der Tiere: Silbenmethode:
https://www.abc-der-tiere.de/silbenmethode/

Grundschulverband: Lesen und Schreiben lernen in der Grundschule.
https://mercator-institut.uni-koeln.de/sites/mercator/user_upload/PDF/05_Publikationen_und_Material/Faktencheck_Lesen_und_Schreiben_in_der_Grundschule.pdf

Praxis-Förderdiagnostik: Wer mit der Fibel lesen und schreiben lernt, lernt es besser.
https://www.praxis-foerderdiagnostik.de/fibel/

Basisqualifizierung ProGrundbildung: https://www.grundbildung.de/downloads/schulungen/modul-2-schreiben-und-lesen-lehren-teil-1-4.pdf

Phonologische Bewusstheit als Basis

Schneider, Wolfgang et al.:Phonologische Bewusstheit und Schriftspracherwerb.
https://opus.bibliothek.uni-wuerzburg.de/files/7096/Schneider_W_OPUS_7096.pdf

Anna Grabner: Phonologische Bewusstheit und Schriftspracherwerb. Uni Graz.
https://unipub.uni-graz.at/obvugrhs/download/pdf/225079

Glossar zur phonologischen Bewusstheit. http://www.phonologische-bewusstheit.de/sonstiges/glossar.htm


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