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Intelligenz – Kinder denken und lernen auf unterschiedliche Weise 

 05. August 2019

Von  Sabine Gessenich

Individuelle Intelligenzformen erkennen und fördern

POTENTIALO®

Jenseits des IQ: Das wahre Potenzial von Kindern entdecken


Kinder denken und lernen auf unterschiedliche Weise. Das Potenzial eines Kindes umfasst weit mehr als den IQ, der sich aus einem standardisierten Intelligenztest ergibt. Wenn Kinder den auf herkömmliche Weise präsentierten Lehrplan nicht verstehen, brauchen sie keine Diagnose – sie brauchen die gezielte Unterstützung ihrer individuellen intellektuellen Fähigkeiten.

Die Theorie der multiplen Intelligenzen nach Howard Gardner zeigt: Intelligenz ist vielfältig. Jedes Kind bringt einzigartige Stärken mit, die es zu entdecken und zu fördern gilt.

Körperlich-Kinästhetische Intelligenz: Lernen durch Bewegung und Berührung

Wenn der Körper zum Lernwerkzeug wird

Körperlich-kinästhetische Lernende zeigen einen geschickten Umgang mit ihren Händen und/oder eine außergewöhnliche Kontrolle über ihre Körperbewegungen, die zum Ausdruck von Ideen verwendet werden können. Sie speichern Informationen, indem sie mit ihrer Umgebung interagieren.

Wie diese Kinder lernen:

  • Durch Anfassen, Bewegen und Ausprobieren
  • Beim Bauen, Basteln und Experimentieren
  • Durch Rollenspiele und körperlichen Ausdruck
  • Bei praktischen Tätigkeiten und "Learning by Doing"
  • Durch Sport, Tanz und Bewegung
  • Typische Stärken:
    • Hervorragende Hand-Auge-Koordination
    • Präzise Feinmotorik
    • Ausdrucksstarke Körpersprache
    • Schnelle Reflexe und Bewegungsabläufe
    • Räumliches Vorstellungsvermögen beim Handeln
  • Wie Eltern und Lehrkräfte unterstützen können:
    • Lernmaterialien zum Anfassen bereitstellen (Montessori-Material, Bauklötze, Modelle)
    • Bewegungspausen in den Lernalltag integrieren
    • Lerninhalte durch praktische Projekte vermitteln
    • Theater, Tanz oder Sport als Ausdrucksformen anbieten
    • Experimente und handwerkliche Tätigkeiten ermöglichen
  • Berufsperspektiven:Diese Schüler können als Erwachsene erfolgreich werden als:
    • Handwerkliches oder mechanisches Fachpersonal (Schreiner, Mechaniker, Chirurg)
    • Tänzer/-in oder Choreograf/-in
    • Sportler/-in oder Trainer/-in
    • Schauspieler/-in
    • Bildhauer/-in oder Kunsthandwerker/-in
    • Physiotherapeut/-in
  • Praxistipp für den Alltag:Lassen Sie kinästhetische Lerner beim Vokabellernen durch den Raum gehen, Rechenaufgaben mit Bausteinen lösen oder Geschichtsdaten als Bewegungsabfolge choreografieren.

    Musikalisch-Rhythmische Intelligenz: Die Welt in Klängen verstehen

    Wenn Rhythmus und Melodie das Denken prägen


    Musikalisch-rhythmische Lernende haben die Fähigkeit, Musik zu bewerten, zu produzieren und in Mustern zu denken. Sie erleben die Welt durch Klänge, Rhythmen und melodische Strukturen.
    Wie diese Kinder lernen:
    • Durch Lieder, Reime und musikalische Muster
    • Mit Hintergrundmusik oder rhythmischen Bewegungen
    • Beim Erstellen eigener Melodien und Rhythmen
    • Durch akustische Signale und Klangassoziation
    • Bei musikalischen Experimenten
  • Typische Stärken:
    • Feines Gehör für Tonhöhen und Klangfarben
    • Ausgeprägtes Rhythmusgefühl
    • Gutes Gedächtnis für Melodien und Lieder
    • Sensibilität für akustische Umgebung
    • Fähigkeit, Emotionen durch Musik auszudrücken
  • Wichtige Hinweise für Pädagogen:Lehrkräfte müssen sich bewusst sein, dass diese Kinder für verschiedene Geräusche besonders empfindlich sein können. Laute oder chaotische Umgebungen können sie ablenken oder überfordern. Schaffen Sie bei Bedarf ruhigere Lernräume oder erlauben Sie Kopfhörer.
    Wie Eltern und Lehrkräfte unterstützen können:
    • Lerninhalte in Lieder oder Raps verpacken (z.B. Einmaleins-Songs)
    • Hintergrundmusik beim Lernen erlauben
    • Rhythmische Muster für Merkaufgaben nutzen
    • Musikinstrumente als Lernwerkzeuge einsetzen
    • Regelmäßige musikalische Pausen einplanen
    • Gedichte und rhythmische Texte verwenden
  • Berufsperspektiven:Als Erwachsene können diese Lernenden erfolgreich werden als:
    • Dirigent/-in oder Orchesterleiter/-in
    • Sänger/-in oder Vokalist/-in
    • Instrumentalist/-in oder Interpret/-in
    • Musiklehrende
    • Chorleiter/-in
    • Komponist/-in oder Songwriter/-in
    • Tontechniker/-in oder Musikproduzent/-in
    • Musiktherapeut/-in
  • Praxistipp für den Alltag:Erstellen Sie gemeinsam Lernlieder für schwierige Themen. Das ABC-Lied funktioniert aus gutem Grund – nutzen Sie dieses Prinzip für Grammatikregeln, historische Daten oder wissenschaftliche Fakten.

    Intrapersonale Intelligenz: Die Reise nach innen

    Wenn Selbstreflexion zur Stärke wird


    Intrapersonale Lernende haben den tiefen Wunsch, ihr inneres Selbst zu reflektieren und zu bewerten. Sie zeigen die bemerkenswerte Fähigkeit zur Anpassung auf der Grundlage ihres Verständnisses von Wahrheit und ihrer selbst identifizierten Stärken und Schwächen. Sie sind versiert darin, ihre eigene Rolle im Verhältnis zu anderen zu untersuchen.
    Wie diese Kinder lernen:
    • Durch Selbstreflexion und inneren Dialog
    • In ruhigen, individuellen Lernsituationen
    • Beim Tagebuchschreiben und persönlichen Projekten
    • Durch Verbindung von Lerninhalten mit eigenen Erfahrungen
    • Bei selbstgesteuerten Lernprozessen
  • Typische Stärken:
    • Tiefes Selbstbewusstsein und Selbstkenntnis
    • Fähigkeit zur ehrlichen Selbsteinschätzung
    • Starke innere Motivation
    • Ausgeprägte Intuition
    • Ethisches und moralisches Denken
    • Verständnis für eigene Emotionen und Bedürfnisse
  • Besonderheiten im Lernverhalten:Diese Kinder brauchen oft Zeit allein, um Informationen zu verarbeiten. Gruppenzwang kann sie hemmen, während selbstbestimmtes Lernen sie aufblühen lässt. Sie stellen tiefgründige Fragen über Sinn und Zweck.
    Wie Eltern und Lehrkräfte unterstützen können:
    • Raum für Einzelarbeit und Rückzug schaffen
    • Reflexionsfragen stellen: "Wie fühlst du dich dabei?" "Was denkst du darüber?"
    • Tagebücher, Portfolios oder Lerntagebücher einführen
    • Persönliche Ziele setzen lassen
    • Zeit für Meditation oder stille Momente geben
    • Individuelle Projekte nach eigenen Interessen ermöglichen
    • Selbstbewertung und Peer-Feedback fördern
  • Berufsperspektiven:Diese Lernenden können als Erwachsene erfolgreich werden als:
    • Forschende in Psychologie oder Soziologie
    • Philosoph/-in oder Ethiker/-in
    • Therapeut/-in oder Berater/-in
    • Unternehmer/-in (mit starker Vision)
    • Schriftsteller/-in oder Poet/-in
    • Coach oder Mentor/-in
    • Geistliche/-r oder spirituelle/-r Lehrer/-in
  • Praxistipp für den Alltag:Geben Sie diesen Kindern nach Gruppenaktivitäten bewusst Zeit zur Reflexion. Fragen Sie: "Was hast du heute über dich selbst gelernt?" statt nur "Was hast du gelernt?"

    Naturalistische Intelligenz: Die Entdecker der Natur

    Wenn die Welt zum Forschungslabor wird


    Naturalistische Lernende ("Nature smart") zeigen ein starkes frühes Interesse an Artefakten, Tieren, Pflanzen und Mineralien. Diese Individuen haben die außergewöhnliche Fähigkeit, die natürliche Welt zu verstehen, zu kategorisieren und effektiv mit ihr zu arbeiten.
    Wie diese Kinder lernen:
    • Durch direkten Kontakt mit der Natur
    • Beim Beobachten, Sammeln und Kategorisieren
    • Bei Exkursionen und Outdoor-Aktivitäten
    • Durch Experimente mit Naturmaterialien
    • Mit lebenden Organismen und Ökosystemen
  • Typische Stärken:
    • Ausgeprägter Beobachtungssinn für Details
    • Fähigkeit, Muster in der Natur zu erkennen
    • Talent zum Klassifizieren und Ordnen
    • Sensibilität für Umweltveränderungen
    • Empathie für Tiere und Pflanzen
    • Systemisches Denken in Zusammenhängen
  • Besonderheiten im Lernverhalten:Diese Kinder sammeln leidenschaftlich (Steine, Blätter, Insekten) und erstellen Ordnungssysteme. Sie stellen Fragen über Zusammenhänge in der Natur und Umwelt. Sterile Klassenräume können sie demotivieren.
    Wie Eltern und Lehrkräfte unterstützen können:
    • Lernumgebung mit Pflanzen und Naturmaterialien gestalten
    • Regelmäßige Exkursionen in die Natur organisieren
    • Sammlungen anlegen und wissenschaftlich dokumentieren lassen
    • Schulgarten oder Klassenzimmer-Tiere einführen
    • Naturwissenschaftliche Experimente durchführen
    • Umweltprojekte und Nachhaltigkeitsthemen integrieren
    • Lerninhalte mit Naturphänomenen verknüpfen
  • Berufsperspektiven:Als Erwachsene können sie sich erfolgreich beschäftigen mit:
    • Geologie und Mineralogie
    • Zoologie und Tiermedizin
    • Biologie und Botanik
    • Wildtier-Illustration und Naturfotografie
    • Meteorologie und Klimaforschung
    • Landschaftsarchitektur und Gartengestaltung
    • Umweltschutz und Nachhaltigkeitsmanagement
    • Forstwirtschaft und Naturpädagogik
    • Marine Biologie und Ozeanografie
  • Praxistipp für den Alltag:Verbinden Sie abstrakte Lernthemen mit Natur: Mathematik beim Vermessen von Bäumen, Geschichte durch archäologische Funde, Chemie bei Bodenanalysen, Literatur durch Naturgedichte.

    Alle Intelligenzformen systematisch fördern

    Individualisiertes Lernen in der Praxis


    Diagnostik im Alltag:Beobachten Sie, womit sich Kinder freiwillig beschäftigen:
    • Was macht ihnen Freude?
    • Wo verlieren sie sich in einer Tätigkeit?
    • Welche Themen begeistern sie?
    • Wie lösen sie Probleme am liebsten?
  • Multimodale Lernangebote schaffen:Präsentieren Sie jedes Thema auf verschiedene Weisen:
    • Kinästhetisch: Modell bauen
    • Musikalisch: Lied dazu lernen
    • Intrapersonal: Persönliche Reflexion schreiben
    • Naturalistisch: Beispiele aus der Natur finden
  • Praktische Umsetzung im Schulalltag


    Projektbasiertes Lernen:Ein Thema wie "Wasser" kann verschiedene Intelligenzen ansprechen:
    • Kinästhetisch: Wasserexperimente durchführen
    • Musikalisch: Wassergeräusche komponieren
    • Intrapersonal: Persönliche Beziehung zu Wasser reflektieren
    • Naturalistisch: Ökosysteme untersuchen
  • Differenzierte Hausaufgaben:Bieten Sie Wahlmöglichkeiten an:"Zeige dein Verständnis des Themas durch..."
    • ...ein selbstgebautes Modell (kinästhetisch)
    • ...einen selbstkomponierten Song (musikalisch)
    • ...ein persönliches Reflexionsjournal (intrapersonal)
    • ...eine Naturbeobachtungsstudie (naturalistisch)
  • FAQ: Häufige Fragen zu verschiedenen Intelligenzformen


    Kann ein Kind mehrere Intelligenzen gleichzeitig haben?Ja, absolut! Die meisten Menschen haben ein Profil verschiedener Intelligenzen mit unterschiedlichen Ausprägungen. Es geht nicht um Kategorisierung, sondern um Stärken erkennen.
    Was, wenn mein Kind keine klare dominante Intelligenz zeigt?Das ist völlig normal. Viele Kinder sind ausgeglichen oder entwickeln ihre Stärken erst im Laufe der Zeit. Bieten Sie vielfältige Erfahrungen an.
    Können sich Intelligenzen im Laufe der Zeit verändern?Ja, mit Entwicklung, Erfahrung und Training können sich Stärken verschieben oder neue hinzukommen. Intelligenz ist nicht fix.
    Wie gehe ich mit Schwächen um?Fokussieren Sie auf Stärken, vernachlässigen Sie Schwächen nicht komplett. Nutzen Sie Stärken, um Schwächen zu kompensieren (z.B. kinästhetisches Vokabellernen für bewegungsorientierte Kinder mit Rechtschreibschwäche).
    Was ist mit den anderen Intelligenzen nach Gardner?Dieser Artikel fokussiert auf vier Formen. Gardner identifizierte auch sprachlich-linguistische, logisch-mathematische, räumlich-visuelle und interpersonale Intelligenz – alle gleichermaßen wichtig!
  • Fazit: Jedes Kind ist einzigartig intelligent


    Standardisierte Tests erfassen nur einen Bruchteil des menschlichen Potenzials. Körperlich-kinästhetische, musikalisch-rhythmische, intrapersonale und naturalistische Intelligenzen sind gleichwertige Formen von Begabung, die erkannt und gefördert werden müssen.
    Die wichtigsten Erkenntnisse:
    • Intelligenz ist vielfältig, nicht eindimensional
    • Jedes Kind hat einzigartige Stärken
    • Lernprobleme sind oft Methodenprobleme
    • Individuelle Förderung ist effektiver als Standardisierung
    • Berufserfolg braucht vielfältige Intelligenzen
  • Handlungsempfehlung:Beobachten Sie Ihr Kind genau, entdecken Sie seine natürlichen Stärken, und passen Sie Lernmethoden entsprechend an. Erfolg bedeutet nicht, in allen Bereichen gleich gut zu sein – sondern die eigenen Stärken optimal zu entfalten.

(Quelle: Frames of Mind, Howard Gardner 1983 und 1999)