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Hochbegabung richtig fördern 

 25. April 2017

Von  Sabine Gessenich

Hochbegabung – besondere Bedürfnisse erkennen

Wir kennen einige Beispiele von Kindern, deren tatsächliche Leistungen niedriger liegen, als es der Intelligenztest vermuten lässt. Die Ursachen liegen in Anpassungsversuchen der hochbegabten Kinder an ihre Umwelt, nachlassendem Interesse und den jeweiligen Lernvoraussetzungen. Jedes Kind hat jedoch ein Recht auf die Entfaltung seines Potenzials, was eine bedeutsame Grundlage zur Weiterentwicklung unserer Gesellschaft ist. Wird ein hochbegabtes Kind in seinen Lernfähigkeiten eingeschränkt, fühlt es sich nicht entsprechend wertgeschätzt und unverstanden. Wichtig sind deshalb Bezugs- und Lehrpersonen, welche seine Wissbegierigkeit ernst nehmen. Wird nicht mit differenzierten Angeboten auf die jeweiligen Begabungen eingegangen, drohen konfliktträchtige Handlungen, wie Langeweile, Stören, Schwierigkeiten mit Mitschülern und innerhalb der Gruppe, die Gefahr sich zu verzetteln, Überheblichkeit, Autoritätskonflikte, Rebellion, Unfähigkeit, Kritik anzunehmen, Erfolgssucht, Isolation, sinkender Selbstwert, Intoleranz, Frustration, Ironie, Dominanz und Selbstüberschätzung.

Hochbegabung – eine Herausforderung für Eltern und Lehrende

Dein Kind wirkt im Unterricht teilnahmslos und interessiert sich nicht für die gleichen Dinge wie Gleichaltrige? Wenn Schüler:innen im klassischen Schulsystem nicht zurechtkommen, wird den Eltern häufig eine Förderschule empfohlen. Selten wird an eine Hochbegabung gedacht, zumal zu der Teilnahmslosigkeit auch noch häufig eine niedrige Frustrationstoleranz wahrgenommen wird. Kinder mit Hochbegabung leiden oft unter unangenehmen Gefühlen und fühlen sich unverstanden. Lehrende sollten wissen, wie man Hochbegabung erkennt und eine angemessene Förderung sicherstellt – leider ist das häufig nicht der Fall.

Hochbegabung liegt vor, wenn ein Kind in einzelnen Bereichen deutlich über dem Niveau der Gleichaltrigen liegt. Ein Nachweis erfolgt über Messverfahren von Intelligenztests, und ein Mensch gilt ab einem Grenzwert eines Intelligenzquotienten (IQ) von 130 als hochbegabt. Es gibt Berechnungen, dass eine Hochbegabung bei ungefähr 2,2 % eines Schuljahrganges vorliegt. Mir persönlich gefällt es besser, von besonderen Begabungen zu sprechen – auch weil dann nicht gleich vermutet wird, dass ein hochbegabtes Kind in der Schule automatisch gute Leistungen in allen Fächern erbringt.

Hochbegabung – Definition und Diagnose

Hochbegabung wird üblicherweise als ein IQ über 130 definiert. Allerdings berücksichtigen aktuelle Ansätze auch andere Dimensionen wie kreative, emotionale und praktische Intelligenz (Gardner, 2021). Diese erweiterte Sichtweise ermöglicht eine differenziertere Beurteilung, insbesondere bei Kindern, die in klassischen IQ-Tests nicht auffällig abschneiden, aber in anderen Bereichen herausragende Fähigkeiten zeigen.

Zur Diagnose von Hochbegabung wird häufig eine Kombination aus IQ-Tests, Beobachtungen sowie Eltern- und Lehrerfragebögen eingesetzt. Diese multiperspektivische Herangehensweise stellt sicher, dass sowohl kognitive als auch soziale und emotionale Faktoren berücksichtigt werden.

Herausforderungen bei Hochbegabung

  • Underachievement: Laut einer Studie von Reis & McCoach (2022) erreichen 15–20 % der hochbegabten Kinder nicht ihr Potenzial. Dies liegt oft an Langeweile, mangelnder Förderung oder sozialen Anpassungsschwierigkeiten.
  • Duale Ausnahmen: Hochbegabung kann mit Lernschwierigkeiten wie ADHS oder LRS einhergehen („Twice Exceptional“). Diese Kinder stellen für Lehrkräfte eine besondere Herausforderung dar, da ihre Begabung oft von ihren Schwächen überdeckt wird.

Hochbegabung – typische Anzeichen

  • Frühes Sprechen, großer Wortschatz
  • Zieht überraschende Schlussfolgerungen
  • Frühes selbständiges Lernen von Lesen und Rechnen
  • Hohe Auffassungsgabe
  • Beschäftigung mit wissenschaftlichen oder technischen Themen unter Verwendung von Fachbegriffen
  • Versteht sich besser mit Erwachsenen oder älteren Kindern
  • Wird von jüngeren Kindern oder Gleichaltrigen abgelehnt und will häufig auch selbst nichts mit ihnen zu tun haben
  • Stellt sehr viele Fragen, was anstrengend für die Bezugspersonen sein kann
  • Erscheint altklug / besserwisserisch
  • Wirkt zurückgezogen
  • Fehlende Leistungsbereitschaft aufgrund Unterforderung

Hochbegabung – in der Schule richtig fördern

Schulen sollen sich den Bedürfnissen der Kinder anpassen – so sieht es das Konzept der Inklusion vor. Allerdings stehen Lehrende in Bezug auf das Lernen und das Sozialverhalten von hochbegabten Schüler:innen hierbei vor besonderen Herausforderungen. Da es pro Schuljahrgang durchschnittlich 2,2 % Hochbegabte gibt, deren besondere Begabung aber nicht immer entdeckt wird, müssen Lehrende individuell auf die besonderen Bedürfnisse dieser Schüler:innen eingehen. Hochbegabte brauchen Unterstützung darin, Freundschaften zu schließen, und eine Lernumgebung, in der sie ihr Potenzial entfalten können.

Förderansätze und Strategien

  • Differenzierter Unterricht: Enrichment-Programme und individuelle Lernpläne helfen, die besonderen Fähigkeiten von hochbegabten Kindern zu fördern. Dies können vertiefende Projekte oder spezifische Herausforderungen sein, die über den regulären Unterricht hinausgehen.
  • Mentoring und Peer-Gruppen: Der Zugang zu Gleichgesinnten ist entscheidend, um Isolation zu vermeiden und das Selbstwertgefühl zu stärken.
  • Flexible Bildungswege: Beschleunigung durch Klassenüberspringen, Vertiefung bestimmter Themen oder ein Frühstudium bieten hochbegabten Kindern die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln.

Emotionale und soziale Aspekte

Hochbegabte Kinder setzen sich oft selbst unter hohen Leistungsdruck und haben Schwierigkeiten, Fehler zu akzeptieren. Deshalb ist es wichtig, sie in der Emotionsregulation und Konfliktbewältigung zu unterstützen (Baum et al., 2020). Resilienztraining und Achtsamkeitsübungen können ihnen helfen, besser mit Herausforderungen umzugehen.

Praktische Tipps für Eltern und Lehrkräfte

  • Für Eltern: Beobachten Sie die Interessen Ihres Kindes genau und fördern Sie diese gezielt, ohne Druck aufzubauen. Außerschulische Aktivitäten wie Coding-Kurse, Musikunterricht oder kreative Projekte können dazu beitragen, die Begabung Ihres Kindes zu entfalten.
  • Für Lehrkräfte: Setzen Sie projektbasiertes Lernen ein, um die Kreativität und Problemlösungsfähigkeiten der Kinder zu fördern. Regelmäßige Feedbackgespräche mit Eltern und Schüler:innen sind wichtig, um die Bedürfnisse der Kinder besser zu verstehen und gezielt darauf einzugehen.