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Kommunikation – so lernen Kinder gut zu kommunizieren 

 06. August 2019

Von  Sabine Gessenich

Warum Kommunikationsfähigkeit der Schlüssel zum Erfolg ist

Die Fähigkeit zur guten Kommunikation ist entscheidend für den Erfolg im Leben. Kommunikation vermittelt nicht nur Informationen, sondern fördert auch Motivation, verändert Einstellungen und regt das Denken an. Ohne effektive Kommunikation entwickeln sich Missverständnisse und Stereotypen, Botschaften werden verzerrt, und das Lernen wird erstickt.

Als Eltern, Lehrkräfte und Pädagogen stehen wir vor der wichtigen Frage: Wie können wir Kindern und Jugendlichen helfen, sich weiterzuentwickeln und ihre Kommunikationsfähigkeiten zu verbessern?

Die Grundlagen effektiver Kommunikation bei Kindern

Kommunikationskompetenz bei Kindern zu fördern bedeutet weit mehr als nur sprechen zu lehren. Es geht darum, ein ganzheitliches Verständnis für zwischenmenschliche Interaktion zu entwickeln – eine Schlüsselkompetenz für Schule, Beruf und soziale Beziehungen.

Emotionale Intelligenz als Basis

Bevor Kinder lernen können, effektiv zu kommunizieren, müssen sie ihre eigenen Emotionen verstehen und regulieren können. Diese emotionale Intelligenz bildet das Fundament für alle weiteren Kommunikationsfähigkeiten.

Nonverbale Kommunikation verstehen und einsetzen

Körpersprache bewusst wahrnehmen

Steigere das Bewusstsein der Kinder für nonverbale Kommunikation. Studien zeigen, dass über 70% unserer Kommunikation nonverbal stattfindet. Kinder müssen lernen, diese Signale zu erkennen und selbst einzusetzen:

Die vier Säulen der nonverbalen Kommunikation:

1. Tonfall und StimmeDer Tonfall verrät oft mehr als Worte. Kinder lernen:

  • Freundliche und respektvolle Tonlage einzusetzen
  • Unterschiede zwischen ironischem, ernstgemeintem und spielerischem Tonfall zu erkennen
  • Lautstärke situationsangemessen anzupassen
  • Betonung gezielt für Ausdruck zu nutzen

2. Gestik verstehen und anwendenHände und Arme unterstützen das Gesagte:

  • Offene Handflächen signalisieren Ehrlichkeit
  • Verschränkte Arme können Ablehnung bedeuten
  • Natürliche Gestik beim Sprechen wirkt authentisch
  • Kulturelle Unterschiede in der Gestik kennenlernen

3. Mimik richtig deutenDas Gesicht ist der Spiegel der Emotionen:

  • Die sieben Basisemotionen erkennen (Freude, Trauer, Wut, Angst, Ekel, Überraschung, Verachtung)
  • Mikroexpressionen wahrnehmen
  • Eigene Mimik bewusst einsetzen
  • Authentizität in der Mimik entwickeln

4. Blickkontakt gezielt nutzenAugenkontakt schafft Verbindung:

  • Angemessene Blickdauer in Gesprächen
  • Kulturelle Unterschiede beim Blickkontakt respektieren
  • Blickkontakt als Zeichen von Aufmerksamkeit und Respekt
  • Balance zwischen direktem Blick und natürlichem Wegschauen

Praktische Übungen für nonverbale Kommunikation

Rollenspiele und Theaterpädagogik:

  • Emotionen ohne Worte darstellen
  • Spiegelübungen für Körperbewusstsein
  • Pantomime-Spiele
  • Video-Feedback zur Selbstwahrnehmung

Aktives Zuhören lernen: Die unterschätzte Kommunikationsfähigkeit

Zuhören ist mehr als Hören

Trainiere Kinder darin, gute Zuhörer zu sein. Aktives Zuhören ist eine der wichtigsten Kommunikationsfähigkeiten, die oft vernachlässigt wird. Kinder lernen:

Die 5 Stufen des aktiven Zuhörens:

  1. Aufmerksam sein: Blickkontakt halten, Ablenkungen minimieren
  2. Zeigen, dass man zuhört: Nicken, bestätigende Laute ("Mhm", "Aha")
  3. Verständnis sichern: Nachfragen bei Unklarheiten
  4. Zusammenfassen: Gehörtes in eigenen Worten wiedergeben
  5. Angemessen reagieren: Empathisch und respektvoll antworten

Übungen für besseres Zuhören:

  • Geschichten nacherzählen
  • "Stille Post" mit komplexeren Inhalten
  • Interview-Spiele
  • Gesprächsregeln in der Familie etablieren
  • Bilderbücher gemeinsam besprechen

Gefühle und Gedanken klar ausdrücken

Eigene Ideen und Emotionen effektiv kommunizieren

Kinder müssen lernen, ihre Ideen und Emotionen klar und effektiv auszudrücken. Dies erfordert:

Gefühlsvokabular aufbauen:

  • Differenzierte Gefühlswörter kennenlernen (nicht nur "gut" oder "schlecht")
  • Intensitätsstufen von Emotionen verstehen
  • Körperliche Empfindungen mit Gefühlen verbinden

Ich-Botschaften nutzen:Statt: "Du bist gemein!"Besser: "Ich fühle mich verletzt, wenn du mein Spielzeug wegnimmst."

Struktur beim Sprechen:

  • Gedanken sortieren vor dem Sprechen
  • Kurze, klare Sätze bilden
  • Beispiele zur Veranschaulichung nutzen
  • Hauptpunkte zuerst nennen

Soziale Kompetenzen systematisch entwickeln

Problemlösungsfähigkeiten trainieren

Unterrichte systematisch Problemlösungstechniken:

Der 5-Schritte-Prozess:

  1. Problem erkennen und benennen
  2. Mögliche Lösungen sammeln (Brainstorming)
  3. Vor- und Nachteile abwägen
  4. Eine Lösung wählen und umsetzen
  5. Ergebnis bewerten und bei Bedarf anpassen

Praktische Anwendung:

  • Konflikte im Klassenzimmer als Lernchance nutzen
  • Alltagsprobleme gemeinsam lösen
  • "Was wäre wenn"-Szenarien durchspielen

Stressmanagement für Kinder

Stressmanagement-Techniken sind essentiell für gesunde Kommunikation:

Altersgerechte Strategien:

  • Atemübungen (z.B. Bauchatmung, 4-7-8-Technik)
  • Progressive Muskelentspannung
  • Bewegung als Stressabbau
  • Kreative Ausdrucksformen (Malen, Musik)
  • Zeitmanagement lernen
  • "Auszeiten" nehmen dürfen

Stresssignale erkennen:Kinder lernen, körperliche und emotionale Stresssignale bei sich selbst wahrzunehmen, bevor sie in schwierige Kommunikationssituationen geraten.

Verhandlungstechniken altersgerecht vermitteln

Verhandeln lernen statt streiten:

Grundprinzipien fairer Verhandlung:

  • Win-Win-Lösungen anstreben
  • Kompromissbereitschaft zeigen
  • Faire Abwechslung ("Heute du, morgen ich")
  • Tauschgeschäfte entwickeln
  • Dritte als Vermittler einbeziehen

Praktische Übungen:

  • Rollenspiele zu Alltagskonflikten
  • Familienkonferenzen mit Verhandlungen
  • Spiele mit Verhandlungselementen

Selbstbewusste Kommunikation statt Aggression oder Passivität

Die drei Kommunikationsstile verstehen

Hilf Kindern zu lernen, selbstbewusst (assertiv) zu sein, anstatt aggressiv oder passiv zu kommunizieren.

Kommunikationsstile im Vergleich:

Passiv:

  • Eigene Bedürfnisse werden nicht geäußert
  • Ständiges Nachgeben
  • Gefühl von Hilflosigkeit
  • Beispiel: "Ist schon okay..." (obwohl es nicht okay ist)

Aggressiv:

  • Bedürfnisse auf Kosten anderer durchsetzen
  • Laut, fordernd, unhöflich
  • Verletzende Sprache
  • Beispiel: "Gib mir das sofort, du Idiot!"

Selbstbewusst (assertiv):

  • Eigene Bedürfnisse klar äußern
  • Respektvoll gegenüber anderen
  • Kompromissbereit
  • Beispiel: "Ich möchte auch gerne damit spielen. Können wir uns abwechseln?"

Selbstbewusstsein systematisch aufbauen

Strategien für selbstbewusste Kommunikation:

  • Klare, direkte Sprache verwenden
  • "Nein" sagen üben
  • Eigene Grenzen kennen und kommunizieren
  • Für eigene Rechte einstehen
  • Respekt für andere bewahren

Intrinsische Motivation und positive Einstellung entwickeln

Selbstmotivation fördern

Fordere Kinder heraus, sich selbst zu motivieren, klare Ziele zu setzen und eine hoffnungsvolle, optimistische Einstellung zu entwickeln.

Zielsetzung lernen:

  • SMART-Ziele formulieren (Spezifisch, Messbar, Attraktiv, Realistisch, Terminiert)
  • Große Ziele in kleine Schritte unterteilen
  • Fortschritte sichtbar machen
  • Erfolge feiern

Positive Selbstgespräche:Statt: "Ich kann das nicht!"Besser: "Ich kann das noch nicht, aber ich lerne es!"

Growth Mindset entwickeln:

  • Fehler als Lernchancen sehen
  • Anstrengung wertschätzen, nicht nur Talent
  • Herausforderungen annehmen
  • Von Vorbildern lernen

Charakterstärken kultivieren

Fördere systematisch wichtige Charaktereigenschaften:

Selbstvertrauen aufbauen:

  • Erfolgserlebnisse ermöglichen
  • Stärken erkennen und benennen
  • Positive Rückmeldung geben
  • Verantwortung übertragen

Eifer und Begeisterung wecken:

  • Interessen der Kinder ernst nehmen
  • Neugier fördern
  • Projekte eigenständig durchführen lassen
  • Begeisterung vorleben

Geduld entwickeln:

  • Warten üben
  • Belohnungsaufschub trainieren
  • Prozesse wertschätzen, nicht nur Ergebnisse
  • Langfristige Projekte begleiten

Verantwortung für das eigene Handeln übernehmen

Selbstwirksamkeit erfahren

Zeige Kindern, wie sie Verantwortung für ihr Handeln übernehmen können:

Verantwortungsbewusstsein entwickeln:

  • Konsequenzen des eigenen Handelns verstehen
  • Fehler zugeben und daraus lernen
  • Entschuldigungen aussprechen
  • Wiedergutmachung leisten
  • Entscheidungen bewusst treffen

Praktische Ansätze:

  • Altersgerechte Aufgaben im Haushalt
  • Haustierpflege
  • Eigene Projekte planen und durchführen
  • Konsequenzen selbst erleben (in sicherem Rahmen)

Die Rolle der Eltern: Vorbilder für emotionale Intelligenz

Eltern als erste Kommunikationslehrer

Involviere die Eltern so weit wie möglich, damit sie ermutigt werden, emotional gesundes Verhalten im Haushalt zu modellieren.

Warum Eltern entscheidend sind:Kinder lernen Kommunikation primär durch Beobachtung und Nachahmung. Was Eltern vorleben, prägt stärker als jede Theorie.

Eltern als Vorbilder:

  • Respektvolle Kommunikation untereinander
  • Emotionale Regulation vorleben
  • Konflikte konstruktiv lösen
  • Aktives Zuhören praktizieren
  • Fehler zugeben können

Praktische Tipps für Eltern:

  • Gemeinsame Familienzeit ohne Bildschirme
  • Tägliche Gespräche über den Tag
  • Gefühle benennen und besprechen
  • Familienregeln gemeinsam aufstellen
  • Wertschätzende Sprache im Alltag

Eltern-Kind-Programme nutzen

Programme wie "Schreiben, das stark macht" unterstützen Eltern dabei, systematisch mit ihren Kindern zu arbeiten – nicht nur an Textverständnis und Rechtschreibung, sondern auch an der Fähigkeit, Gedanken klar zu formulieren und auszudrücken.

Der eigene EQ: Als Pädagoge authentisches Vorbild sein

Selbstreflexion für Lehrkräfte und Pädagogen

Da Kinder von dir als Lehrkraft Orientierung darüber erwarten, wie Menschen in unserer Gesellschaft miteinander umgehen, kannst und solltest du deinen eigenen EQ pflegen.

Selbstreflexion praktizieren:

  • Eigene Kommunikationsmuster hinterfragen
  • Feedback von Kollegen einholen
  • Fortbildungen besuchen
  • Supervision nutzen
  • Eigene emotionale Trigger kennen

Authentizität leben:Strebe danach, empathisch, selbstdiszipliniert, enthusiastisch und mitfühlend zu sein – nicht perfekt, sondern authentisch und lernbereit.

Konkrete Verhaltensweisen:

  • Empathisch: Sich in Kinder hineinversetzen, ihre Perspektive verstehen
  • Selbstdiszipliniert: Eigene Emotionen regulieren, auch in stressigen Situationen
  • Enthusiastisch: Begeisterung für Lernen und Entwicklung zeigen
  • Mitfühlend: Verständnis für Schwierigkeiten zeigen, ohne Standards zu senken

Fehlerkultur etablieren

Als Vorbild zeigst du, dass Fehler menschlich sind:

  • Eigene Fehler zugeben
  • Entschuldigungen aussprechen
  • Aus Fehlern lernen und dies verbalisieren
  • Humor einsetzen, ohne bloßzustellen

Praktische Umsetzung im Alltag: Konkrete Übungen

Tägliche Routinen für bessere Kommunikation

Morgenkreis/Familienfrühstück:

  • Jeder teilt etwas mit
  • Aktives Zuhören üben
  • Positive Tagesausblicke formulieren

Reflexionsrunden:

  • "Was war heute gut?"
  • "Was habe ich gelernt?"
  • "Wofür bin ich dankbar?"

Rollenspiele:

  • Alltagssituationen durchspielen
  • Verschiedene Lösungsansätze ausprobieren
  • Perspektivwechsel üben

Kommunikationsspiele für verschiedene Altersgruppen

Für Kindergarten (3-6 Jahre):

  • Gefühls-Memory
  • "Ich sehe was, was du nicht siehst" (Beschreibungen üben)
  • Puppentheater
  • Gefühlskarten

Für Grundschule (6-10 Jahre):

  • "Stille Post" mit komplexen Botschaften
  • Debattier-Spiele
  • Tagebuch schreiben
  • Präsentationen üben

Für Jugendliche (11+ Jahre):

  • Diskussionsrunden zu aktuellen Themen
  • Peer-Mediation
  • Projektpräsentationen
  • Podcasts oder Videos erstellen

FAQ: Häufige Fragen zur Kommunikationsförderung

Ab welchem Alter kann man Kommunikationsfähigkeiten fördern?Bereits Babys kommunizieren nonverbal. Systematische Förderung kann ab dem Kindergartenalter beginnen und sollte altersentsprechend angepasst werden.

Was tun, wenn mein Kind sehr schüchtern ist?Schüchternheit ist keine Schwäche. Schaffen Sie sichere Räume für Kommunikation, üben Sie in Kleingruppen, und setzen Sie das Kind nicht unter Druck. Kleine Schritte feiern!

Wie gehe ich mit aggressiver Kommunikation um?Bleiben Sie selbst ruhig, benennen Sie das Verhalten (nicht das Kind!), zeigen Sie alternative Ausdrucksformen auf, und üben Sie diese in ruhigen Momenten.

Welche Rolle spielen digitale Medien?Digitale Kommunikation ist Teil der Realität, sollte aber face-to-face-Interaktion nicht ersetzen. Wichtig ist die Balance und die Vermittlung von Online-Kommunikationsregeln (Netiquette).

Wie fördere ich Kommunikation bei mehrsprachigen Kindern?Mehrsprachigkeit ist eine Stärke! Fördern Sie alle Sprachen, nutzen Sie nonverbale Kommunikation verstärkt, und ermutigen Sie kulturellen Austausch.

Was tun bei Konflikten zwischen Kindern?Nutzen Sie Konflikte als Lernchancen: Beide Seiten anhören, Gefühle benennen lassen, gemeinsam Lösungen suchen, Kompromisse finden, Nachgespräche führen.

Fazit: Kommunikation als lebenslange Schlüsselkompetenz

Effektive Kommunikation ist keine angeborene Fähigkeit, sondern eine erlernbare Kompetenz, die systematisch gefördert werden kann. Durch die Vermittlung von nonverbaler Kommunikation, aktivem Zuhören, selbstbewusstem Auftreten und emotionaler Intelligenz legen wir den Grundstein für den Erfolg von Kindern in allen Lebensbereichen.

Die wichtigsten Erkenntnisse:

  • Kommunikation ist mehr als Sprechen – nonverbale Signale sind entscheidend
  • Aktives Zuhören ist genauso wichtig wie gutes Sprechen
  • Selbstbewusste Kommunikation kann trainiert werden
  • Eltern und Pädagogen sind die wichtigsten Vorbilder
  • Emotionale Intelligenz bildet die Basis für gute Kommunikation
  • Tägliches Üben in kleinen Schritten bringt nachhaltige Erfolge

Handlungsempfehlung:Beginnen Sie heute damit, bewusst auf Ihre eigene Kommunikation zu achten. Seien Sie Vorbild, schaffen Sie Gesprächsanlässe, hören Sie aktiv zu, und geben Sie Kindern Raum, ihre Kommunikationsfähigkeiten zu entwickeln. Nutzen Sie strukturierte Programme und Alltagssituationen gleichermaßen als Lernchancen.

Kommunikation verbindet – und diese Fähigkeit zu fördern, ist eines der wertvollsten Geschenke, die wir Kindern mit auf den Weg geben können.