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Potentialentfaltung statt Korrektur 

 22. August 2025

Von  Sabine Gessenich

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Korrektur als pädagogische Falle

In Klassenzimmern ist sie allgegenwärtig: die Korrektur.
Rotstifte, Fehlerlisten, Anmerkungen am Rand.
Die Botschaft: „So, wie du es gemacht hast, ist es falsch.“

Doch Korrektur allein verändert wenig.
Sie erzeugt Anpassung, nicht Entwicklung.
Kinder lernen, Fehler zu vermeiden – nicht, ihr Denken weiterzuentwickeln.

Lernen heißt: Spuren hinterlassen

Potentialentfaltung beginnt dort, wo wir nicht nur Fehler beseitigen, sondern Spuren wahrnehmen.
Wenn Kinder schreiben, rechnen, experimentieren, entstehen Spuren ihres Denkens.

  • Eine fehlerhafte Lösung zeigt den Lösungsweg.
  • Eine falsche Schreibweise zeigt den Lautweg.
  • Ein abgebrochener Versuch zeigt den Mut, etwas zu probieren.

Korrektur sieht nur das Endprodukt.
Potentialentfaltung sieht den Prozess.

Resonanz statt Bewertung

Resonanz bedeutet: auf diese Spuren zu antworten.

  • Nicht: „Das ist falsch.“
  • Sondern: „Ich sehe, was du versucht hast.“

Beispiel:
Ein Kind rechnet 25 + 17 = 32.
Die Korrektur sagt: falsch.
Resonanz sagt: „Du hast die Einer addiert. Das war ein guter Ansatz. Lass uns schauen, was mit den Zehnern passiert.“

So entsteht Entwicklung.
Das Kind versteht, dass sein Denken gesehen wird – und dass es weitergeführt wird, statt abgebrochen.

Potentialentfaltung Lernen – die Haltung

Potentialentfaltung ist keine Methode, sondern eine Haltung:

  • Fehler als Signale sehen.
  • Versuche würdigen.
  • Entwicklungswege öffnen.

Diese Haltung erzeugt eine Lernkultur, in der Kinder Neugier statt Angst entwickeln.

Neurowissenschaftliche Bestätigung

Studien zeigen: Lernen geschieht, wenn Erwartungen scheitern.

  • „Prediction Error“ – so nennen Forschende den Moment, in dem das Gehirn überrascht wird.
  • Fehler aktivieren Netzwerke, die zu tieferem Verständnis führen.

Das heißt: Korrektur ohne Resonanz verhindert Lernen.
Erst wenn Kinder verstehen, warum sie geirrt haben, entsteht neues Wissen.

Praxisbeispiele

  • Schreiben: „Ferkehl“ statt „Vögel“.
    • Korrektur: Kreuz.
    • Resonanz: „Du hast genau gehört, was du sprichst. So klingt es. In der Schrift machen wir es so: Vögel.“
  • Mathe: 48 : 6 = 3.
    • Korrektur: falsch.
    • Resonanz: „Du hast geteilt, aber nicht vollständig. Lass uns prüfen: Wie oft passt 6 in 48?“
  • Lesen: „Haus“ statt „Hase“.
    • Korrektur: X.
    • Resonanz: „Du hast nach Sinn geraten. Probier mal, jeden Buchstaben zu lesen.“

Vom Rotstift zur Resonanzkultur

Das Ziel ist nicht, Fehler unsichtbar zu machen, sondern sie fruchtbar zu machen.
Eine Resonanzkultur fragt:

  • „Was zeigt mir dieser Fehler über das Denken des Kindes?“
  • „Welche Hilfen braucht es, um weiterzukommen?“

So wird Lernen zum Prozess der Potentialentfaltung.

Brücke zur Handschrift

Gerade im Schreiben zeigt sich das besonders deutlich.
Handschrift ist Spur, nicht nur Form.
Korrektur macht aus dieser Spur ein Defizit.
Resonanz liest sie als Ausdruck – und öffnet Wege zur Weiterentwicklung.

Die Stiftung Handschrift setzt hier an: Wettbewerbe, Schreibpaten und Schreibmentoren zeigen, dass Handschrift ein Feld der Potentialentfaltung ist. Kinder erleben: Schreiben ist Ausdruck, nicht Fehlerquelle.

Zukunft: Potentialentfaltung digital denken

Digitale Systeme können diese Haltung unterstützen – wenn sie nicht kontrollieren, sondern begleiten.

  • Statt Fehler automatisch zu korrigieren → Prozesse sichtbar machen.
  • Statt Defizite zu markieren → Hilfen anbieten.
  • Statt Angst zu erzeugen → Mut fördern.

So kann Potentialentfaltung auch im digitalen Zeitalter gelingen: Resonanz statt Korrektur.

Fazit: Potentialentfaltung statt Korrektur

Korrektur stoppt.
Resonanz führt weiter.

Wenn wir Lernen als Potentialentfaltung begreifen, dann sind Fehler keine Hindernisse, sondern Wegweiser.
Kinder brauchen nicht den Rotstift, sondern die Erfahrung: „Mein Denken wird gesehen. Ich darf weitergehen.“

Das ist der Kern:
👉 Potentialentfaltung statt Korrektur.

Links und Quellen



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